Bürgergeld statt Hartz IV
SPD, Gründe und FDP planen Hartz IV abschaffen, stattdessen soll das sog. Bürgergeld eingeführt werden. Aber was genau soll sich dabei für die betroffenen Bürger ändern?
Hierzu gibt es in dem Sondierungspapier der o.g. Parteien bloß die beiden relevanten Absätze:
Zur „Abschaffung“ von Hartz IV
“Anstelle der bisherigen Grundsicherung werden wir ein Bürgergeld einführen. Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein. Es soll Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen. Während der Coronakrise galten großzügige Regelungen zu Schonvermögen und zur Überprüfung der Wohnungsgröße. Wir prüfen, welche dieser Regeln wir fortsetzen wollen. An Mitwirkungspflichten halten wir fest und prüfen, wie wir hier entbürokratisieren können. Die Zuverdienstmöglichkeiten wollen wir verbessern, mit dem Ziel, Anreize für Erwerbstätigkeit zu erhöhen.”
Zum Sozialstaat
“Wir wollen neue Wege gehen, sodass alle auch konkrete Chancen auf Teilhabe und berufliche Perspektiven haben und Lebensleistung anerkannt wird. Wir stehen für einen verlässlichen und aktivierenden Sozialstaat, der die Bürgerinnen und Bürger in den Stationen ihres Lebens unterstützt, Teilhabe ermöglicht, vor Armut schützt und Lebensrisiken absichert. Diese Zusage ist eine wichtige Basis dafür, Bürgerinnen und Bürger zu ermutigen, auch Neues zu wagen.”
Was damit genau gemeint sein soll, ist aus dem Sondierungspapier direkt nicht zu entnehmen. Trotzdem enthalten schon diese wenigen Aussagen einige Anhaltspunkte, was die Parteien vorhaben.
Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen
Einige kämpfen dafür, dass statt Hartz IV ein sog. bedingungslose Grundeinkommen eingeführt wird. Das neue „Bürgergeld“, das „anstelle der bisherigen Grundsicherung“ eingeführt werden soll, wird kein Grundeinkommen sein, erst recht kein bedingungsloses Grundeinkommen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde an alle Bürger, unabhängig von ihrem Einkommen oder Vermögen, ausgezahlt.
Das Bürgergeld wird auch nicht als bedarfsabhängiges Grundeinkommen ausgestaltet werden. Das wäre der Fall, wenn ein bestimmter Betrag an alle Berechtigten ausgezahlt wird, um den Lebensunterhalt und Wohnkosten zu bestreiten. Dann wären aber alle anderen Sozialleistungen – bis auf Härtefälle – wegen Bürokratieabbau wegfallen.
Regelleistung und getrennt berechnete Wohnkosten
Dem Wortlauf nach urteilen, sollen die Wohnkosten weiterhin getrennt von den Regelsätzen berücksichtigt werden. Anders kann man die Ankündigung nicht betrachten, indem erklärt wird, dass überprüft werden soll, ob die „großzügigen Regelungen“ während der Corona-Sonderregelungen zur „Überprüfung der Wohnungsgröße“ dauerhaft bestehen bleiben sollen.
Auch beim Bürgergeld muss also weiterhin die bisherigen Mietobergrenzen beachtet werden, so dass die Mietkosten nur vollständig übernommen werden, wenn diese „angemessen“ sind.
Überprüfung der Bedürftigkeit
Auch die Prüfung der Bedürftigkeit soll beim Bürgergeld weiterhin beibehalten werden. Damit muss jeder Antragsteller weiterhin seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachweisen, also alles offenlegen.
Höhere Regelleistung?
Ob bei dem Bürgergeld die Regelleistung erhöht wird, kann man aus dem Papier leider nicht entnehmen. Wie bereits bekannt wurde, werden die Regelsätze von der Bundesregierung jährlich absichtlich nach unten gerechnet. In dem Sondierungspapier wird bloß erklärt, dass das Bürgergeld „zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen“, die „Würde des oder der Einzelnen achten“, vor Armut schützen und Lebensrisiken absichern soll.
Sanktionen sollen bleiben!
Auch die Sanktionen sollen wohl beibehalten werden. Hierzu steht: „An Mitwirkungspflichten halten wir fest“, es soll bloß überprüft werden, wie diese Pflichten entbürokratisiert werden könnten.
Eine Pflicht zur Mitwirkung muss aber auch durchgesetzt werden. Das ist bisher mit dem Mittel der Sanktionen erfolgt, indem man der hilfebedürftigen Person die Grundsicherung um 30% für 3 Monate gemindert hat.
Ziel: Arbeitsintegration
Aus den obigen kurzen Passagen aus dem Sondierungspapier ergibt sich das eindeutige Ziel, dass die Leistungsempfänger schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Hierzu wird erklärt, dass die neue Regierung „Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen“ möchte. Damit werden weiterhin Maßnahmen, Ladungen, Vermittlungsvorschläge an die Hilfebedürftigen erlassen, die wiederum bei einer Weigerung zu einer Sanktion führen.
Abschaffung von Jobcenter?
In dem Wahlprogramm hatte die FDP noch vorgeschlagen, eine neue „staatliche Stelle“ zu schaffen, die für das neue Bürgergeld zuständig sein soll. Aus dem Sondierungspapier geht dazu nichts hervor.
Stattdessen ist es wahrscheinlich, dass auch das Bürgergeld von den Jobcentern geprüft und ausgezahlt wird. Schließlich erfüllen die Jobcenter heute bereits die Aufgaben, Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt und den damit verbundenen Mitwirkungspflichten auszuführen.
Zuverdienstmöglichkeit
„Die Zuverdienstmöglichkeiten wollen wir verbessern, mit dem Ziel, Anreize für Erwerbstätigkeit zu erhöhen.“ Das ist der einzige positive Reformvorschlag. Aktuell wird ein zu großer Anteil von dem Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet, so dass es sinnvoll wäre, zum Beispiel die Freibeträge zu erhöhen. Wie die Zuverdienstmöglichkeiten dann tatsächlich ausgestaltet werden, bleibt abzuwarten.
Was ändert sich nun?
Aus dem Sondierungspapier ergibt sich wenig Hoffnung auf eine Besserung. Sowohl an den Mitwirkungspflichten als auch an den Sanktionen soll weiterhin festgehalten werden. Es deutet alles auf mehr Digitalisierung hin, was bereits mit „jobcenter.digital“ flächendeckend eingeführt wurde. Bis auf den neuen Namen kann man aktuell keine wesentliche Änderung zum aktuellen Jobcenter-System leider nicht erkennen.