Wann das Jobcenter auch höhere Miete übernehmen muss!
Einführung: Wenn das Jobcenter Nein sagt – und Du trotzdem gewinnen kannst
Viele Menschen, die Bürgergeld (ehemals Hartz IV) beziehen, stehen früher oder später vor einem Dilemma: Sie finden eine Wohnung, die ihren speziellen Bedürfnissen entspricht – doch sie ist „zu teuer“ laut Jobcenter. Was tun? Ist die Wohnung damit automatisch vom Tisch?
Die gute Nachricht: Nein! In bestimmten Einzelfällen muss das Jobcenter auch unangemessen hohe Mieten übernehmen. Das bestätigte das Sozialgericht Aurich im Februar 2025 (Az.: S 55 AS 378/23).
In diesem Beitrag zeigen wir Dir:
- Wann das Jobcenter eine zu hohe Miete übernehmen muss.
- Was Du im Streitfall tun kannst.
- Warum es sich lohnt, zu kämpfen – mit echten Fallbeispielen und Tipps!
Hintergrund des Falls: Wenn besondere Umstände alles ändern
Im entschiedenen Fall ging es um eine Mutter mit ihrer schwerbehinderten Tochter (Pflegegrad 5, Rett-Syndrom). Die beiden lebten beengt im Kinderzimmer der Großeltern. Als endlich eine geeignete Wohnung gefunden wurde – 75 m², 690 € Kaltmiete + 200 € NK/Heizung – sagte das Jobcenter: „Zu teuer.“
Trotzdem zogen Mutter und Kind ein. Das Jobcenter zahlte jedoch nur rund 514 € an Bruttokaltmiete. Erst das Sozialgericht entschied zugunsten der Familie: Die tatsächliche Miete von 790 € ist im Einzelfall „konkret angemessen“.
Wann das Jobcenter trotz zu hoher Miete zahlen muss – Die 5 wichtigsten Punkte
1. Konkrete statt abstrakter Angemessenheit
Normalerweise gelten Mietobergrenzen laut Wohngeldtabelle oder Konzepten der Kommune. Doch im Einzelfall zählt, ob Du objektiv keine andere Wohnung bekommen kannst.
✅ Laut Urteil: „Offenkundige außergewöhnliche Umstände“ rechtfertigen die Übernahme höherer Mieten.
2. Behinderung und Betreuungsaufwand erhöhen Chancen
Das Gericht betonte: Die Tochter hatte nachweisbare Zugangsbarrieren zum Wohnungsmarkt – lautes Verhalten, Vorbehalte von Vermietern, hoher Pflegeaufwand.
✅ Diese Umstände erschweren oder verhindern die Wohnungssuche – das Jobcenter muss das berücksichtigen.
3. Der ganze Haushalt zählt
Das Gericht stellte klar: Nicht nur die Mutter, sondern auch die schwerbehinderte Tochter muss berücksichtigt werden – als Teil der Bedarfsgemeinschaft.
4. Jobcenter muss Alternativen aufzeigen
Laut BSG darf das Jobcenter die Mietkosten nur dann kürzen, wenn es realistische und konkrete Hilfen oder Alternativen anbietet – was hier nicht geschah.
5. Es braucht kein „ständiges Suchen“
Wer durch Betreuungspflichten oder Behinderung keine Zeit oder Möglichkeit zur Wohnungssuche hat, muss das laut Gericht nicht dauerhaft nachweisen.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema
❓ Muss ich erst in die teure Wohnung ziehen, bevor ich klagen kann?
Nein. Idealerweise beantragst Du vorher eine Zusicherung zur Kostenübernahme. Wenn diese abgelehnt wird, kannst Du trotzdem klagen.
❓ Wie beweise ich, dass ich keine günstigere Wohnung finde?
Dokumentiere:
- Alle Anfragen
- Absagen (v.a. wegen Behinderung/Kinder)
- Gespräche mit Vermietern
- Betreuungsaufwand
👉 Ein ärztliches Attest oder Pflegestufe kann entscheidend sein!
❓ Wie lange übernimmt das Jobcenter eine unangemessene Miete?
Solange keine zumutbare Alternative gefunden oder bereitgestellt wird – und die individuelle Situation keine andere Lösung zulässt.
❓ Was tun, wenn das Jobcenter nur einen Teil der Miete zahlt?
Widerspruch gegen jeden neuen Bescheid einlegen – innerhalb eines Monats. Notfalls Klage beim Sozialgericht einreichen. Erfolgsaussichten sind gut, wenn Du objektive Hinderungsgründe hast.
Zahlen & Fakten: Warum viele betroffen sind
🔸 Laut Bundesagentur für Arbeit (2024) leben rund 1,4 Millionen Menschen mit Behinderung im Bürgergeld-Bezug.
🔸 Über 62 % der Jobcenter-Leistungen betreffen Kosten der Unterkunft.
🔸 2023 wurde jede dritte Mietkostenzusicherung abgelehnt – häufig aus rein formalen Gründen.
Fazit: Viele Betroffene kämpfen mit realen Wohnungsproblemen – und sollten sich nicht einschüchtern lassen!
Fazit: Dein Recht auf ein würdiges Zuhause
Das Urteil aus Aurich ist ein starkes Signal: Menschliche Würde und reale Lebensbedingungen zählen mehr als Tabellenwerte.
Wenn Du oder jemand in Deiner Bedarfsgemeinschaft mit besonderen Herausforderungen lebt – ob durch Krankheit, Pflege oder soziale Hindernisse – dann hast Du gute Chancen, dass selbst überhöhte Mietkosten anerkannt werden müssen.
💡 Wichtig: Lass Dich beraten, dokumentiere Deine Situation – und gib nicht auf!