Berlin erzielt Einigung: Bürgergeld kommt zum 01. Januar 2023
Lange haben regierende Ampel-Parteien und oppositionelle Union um eine Einigung beim Bürgergeld gerungen. Nun billigte der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einen ausgehandelten Kompromiss. Damit kann die Reform des Hartz-IV-Systems am Freitag von den beiden Parlamentskammern beschlossen werden und wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten. Wie der „Kompromiss“ im Einzelnen aussieht:
Sanktionen machen keine Pause
Die ursprünglichen Pläne sahen vor, dass anders als bei Hartz IV am Anfang des Bürgergeld-Bezugs eine halbjährige „Vertrauenszeit“ steht. In ihr drohten Betroffenen nur eingeschränkt Leistungskürzungen.
Die Vertrauenszeit fällt nun weg. Sanktionen sollen umfassend vom ersten Tag an möglich sein.
Sanktion von 10% -> 20% -> 30%
Leistungen können dann beim ersten Mal um 10 Prozent gekürzt werden – bei einer weiteren Pflichtverletzung binnen eines Jahres um 20 Prozent und bei einem nochmaligen Verstoß um 30 Prozent.
Anwalt: Das Sanktionsmoratorium soll damit bereits zum 01.01.2023 beendet werden, so dass mit einer Erhöhung von Vermittlungs– und Maßnahmenvorschlägen sowie Ladungen zu rechnen ist. Natürlich wird auch die Sanktionsmaschine hoch gefahren.
Hier ist aber auch damit zu rechnen, dass die Jobcenter weiterhin erheblich mehr Fehler machen werden. Unser Dienst steht daher allen weiterhin kostenfrei zur Verfügung!
Geringeres Schonvermögen
Auch beim vorgesehenen Schonvermögen, das in der Anfangszeit beim Bezug des Bürgergeld nicht angetastet werden sollte, gibt es deutliche Kürzungen. Es wird beim eigentlichen Leistungsbezieher gegenüber den ersten Plänen von 60.000 Euro auf 40.000 Euro verringert. Für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind es nun 15.000 Euro, anstatt vorher geplante 30.000 Euro.
Verkürzte Fristen bei Schonvermögen und Wohnungsprüfung
Verschont werden Vermögensreserven der Bürgergeld-Bezieher nun auch nur noch im ersten Jahr, also 2023. Geplant waren zuerst zwei Jahre Karenzzeit.
Das gleiche wurde nun auch für die Angemessenheit der Wohnung beschlossen. Nun wird nur noch ein Jahr lang bei der Unterkunft der Bedarf in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, danach muss die Unterkunft angemessen sein.
Anwalt: Wie bisher, müssen die Jobcenter zuerst ein schlüssiges Konzept zu den Mietkosten erstellen, aus dem dann eine Mietobergrenze errechnet werden kann. Eine Vielzahl der Jobcenter haben kein solches Konzept.
Ohne ein schlüssiges Konzept, dürfen die Jobcenter auf die Werte der Wohngeldtabelle übernehmen. Hier muss aber ein Zuschlag von 10% erfolgen. Ein weitere Vorteil ist, dass die Werte der Wohngeldtabelle öfter angepasst werden, als die schlüssigen Konzepte der jeweiligen Jobcenter.
Es ist also davon auszugehen, dass viele Jobcenter weiterhin bei den Mietkosten sparen werden. Hier werden viele Fehler von den Jobcenter gemacht, es bleibt also davon auszugehen, dass auch hier weiterhin alle Bescheide überprüft werden sollten, wenn die Miete nicht ganz von Jobcenter übernommen wird.
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Vermittlungsvorrang entfällt
Das Bürgergeld soll anders als Hartz IV auf langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten setzen anstatt auf die schnelle Vermittlung. Dies gilt insbesondere für die Zeit, in der eine Weiterbildung gemacht wird.
Für die Teilnahme an abschlussbezogenen Weiterbildungen werden zur Unterstützung zudem zusätzlich 150 Euro gezahlt. Und bei Maßnahmen, die besonders dabei unterstützen, langfristig zurück in den Job zu finden, gibt es einen Bürgergeld-Bonus von monatlich 75 Euro. Zudem kann bei Bedarf auch ein Berufsabschluss in drei statt in zwei Jahren nachgeholt werden.
Anwalt: Hier wollen die Parteien etwas Positives darstellen. Aber: Auch in langfristige Beschäftigung muss zuvor „vermittelt“ werden. Zudem sollen mehr Weiterbildungen und Berufsabschlüsse „gefördert“ werden. Auch hierzu wird jedoch jeder Hilfebedürftige von Jobcenter „vermittelt“ werden, inklusive aller Repressalien (insb. Sanktionen).
Es ändert sich voraussichtlich wenig in der Praxis der Jobcenter, jeden Hilfebedürftigen irgendwohin zu vermitteln und bei Weigerung die Leistungen zu kürzen.
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Höhere Regelsätze
Die bisher vorgesehen Regelsatz-Erhöhung soll bleiben. Es ist in der Tat bisher eine der höchsten Erhöhung.
Zum 1. Januar soll damit wie geplant der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene von derzeit 449 Euro um 53 Euro auf 502 Euro pro Monat steigen.
Für Erwachsene unter 25, die noch bei ihren Eltern leben, erhöht sich der Betrag auf 402 Euro, für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren liegt er künftig bei 420 Euro, für Kinder von sechs bis 14 Jahren bei 348 Euro. Bei Kindern unter sechs Jahren sind es 318 Euro.
Angesichts der hohen Inflation, die jeder Mensch in der Bundesrepublik beim Einkaufen spürt, ist es nicht annähernd ausreichend.
Der paritätische Wohlfahrtsverband hat sich zur Berechnungs-Methode und zu den neu geplanten Regelsätzen geäußert. Danach ist ein Regelsatz für einen Single-Haushalt von mindestens 725 € erforderlich und angemessen.
Für weitere Informationen, möchte ich auf meinen Beitrag dazu verweisen.
Quelle: dpa
Höhere Zuverdienstmöglichkeiten
Mit dem Bürgergeld sollen höhere Freibeträge gelten. Wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient, soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können. Die Freibeträge in diesem Bereich werden von 20 auf 30 Prozent angehoben. Zudem werden die Freibeträge für Einkommen von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden auf 520 Euro erhöht. Auch für Auszubildende gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung.
Anwalt: Es bleibt eine „Schönheits-Korrektur“ und kein großer Wurf. Die Vermittlungen mit Zwangsmaßnahmen werden beibehalten, die Mietkosten werden weiterhin nur „in angemessener Höhe“ übernommen, das Einkommen wird weiterhin in erheblichem Ausmaß auf die Leistungen angerechnet (der Staat zieht vom Einkommen zunächst die Sozialabgaben und Einkommenssteuer ab, rechnet dann auch noch den Rest vom bereinigten Einkommen auf die „Bürgergeld-„Leistungen an und spart somit ein weiteres Mal vom Zuverdienst), was insbesondere bei den Kleinsten mit der Anrechnung von Kindergeld den Sinn der Unterstützung untergräbt.
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